Richtlinien
Richtlinien des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen zum Umgang mit Esoterikangeboten
(vom Vorstand des Verbandes Niederösterreichischer Volkshochschulen am 27.05.2014 beschlossen)
Volkshochschulen sind in erster Linie Bildungsvermittler. Sie sind innovativ mit einer hohen Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit neuen Ideen. Das erfordert eine aufmerksame Beobachtung der gesellschaftlichen Entwicklung und einen verantwortlichen Umgang mit Bildungsangeboten. Eine besondere Herausforderung stellen Angebote in Grenzbereichen der Religion, Gesundheitsbildung, Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung dar, insbesondere im Zusammenhang mit Esoterik. Als wesentliches Merkmal von Esoterik wird hier definiert, dass ein rationalistisches Wissenschaftsverständnis nicht zugelassen wird.
Die Richtlinien zur Auseinandersetzung mit Esoterikangeboten stützen sich auf bestehende gesetzliche Regelungen und auf das Interesse an einem wissenschaftlich begründeten Diskurs über das Angebot. Mit diesen Richtlinien übernehmen die Volkshochschulen die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit über ihre Bildungsangebote.
Die Empfehlung beruht auf folgenden Gesetzen, Grundsatzpapieren und Prinzipien:
- Bundesgesetz vom 21. März 1973 über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln
- Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Führung der Berufsbezeichnung „Psychologe“ oder „Psychologin“ und über die Ausübung des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens (Psychologengesetz), BGBL. Nr. 360/1990
- Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz): BGBL. Nr. 361/1990
- Bundesgesetz über die berufsmäßige Ausübung der Musiktherapie (Musiktherapiegesetz – MuthG) BGBl. Nr. 93/2008
- Strafgesetzbuch, § 184, Kurpfuscherei
- „Empfehlung zur Gestaltung der Bildungsarbeit an Volkshochschulen“, vom Vorstand des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen beschlossen am 10.Mai 1994 und der 25. Hauptversammlung am 25. Juni 1994 vorgelegt.
- Dem Grundsatzprinzip der Volkshochschulen, keine Therapie und keine medizinische Betreuung durchzuführen.
Richtlinien zum Umgang mit Esoterikangeboten an Volkshochschulen
Für die Volkshochschulen werden folgende Angebote abgelehnt:
- Angebote, die rassistisches und extremistisches Gedankengut verbreiten
- Angebote, in denen Führerkult betrieben, Legendenbildung propagiert oder ein unhinterfragtes Meister-Schülerverhältnis zugrunde gelegt wird, das zu destruktiven Jugendkulten führt sowie Angebote, in denen „Meister“ für Heilslehren ausgebildet werden
- Angebote, die Allmachtsphantasien betonen
- Angebote, in denen Einweihungen und Riten vorgenommen werden
- Angebote, bei denen ein Wahrheitsmonopol in Aussicht gestellt wird
- Angebote, bei denen Gruppenmitglieder ausgenützt werden beziehungsweise sich ausnützen lassen.
- Angebote, bei denen Gruppen sich über das Gesetz stellen und dadurch subversive oder illegale Tätigkeiten ermöglichen
- Angebote von Sekten beziehungsweise Personen, die für Sekten werben.
- Angebote auf der Basis von Spekulationen mit reinem Glaubenscharakter, die sich maßgeblich auf die Weltanschauung oder auf die Persönlichkeit der Menschen auswirken.
- Angebote, in denen Werkzeuge für Prophetie oder die Ausbildung dazu in den Mittelpunkt gestellt werden;
- Angebote, bei denen überirdischen/außerirdischen Wesen ein entscheidender Einfluss auf den Menschen zugeschrieben werden, wie Engelskult, Geisterglauben, Satanismus oder Dämonenkult;
- Spekulative Verfahren ohne Wirkungsnachweis.
Empfehlung für die Qualitätskontrolle
Die Breite des Angebotes macht es den Volkshochschulleiter*innen nur bedingt möglich, eine fachliche Legitimierung selbst vorzunehmen. Für die formale Beurteilung der Unterrichtskompetenz und eine Absicherung nach außen ist die Orientierung an den vorhandenen Grundlagen wie Psychotherapiegesetz, Psychologengesetz etc. empfehlenswert. Über Angebote, die diesen Richtlinien nicht entsprechen, entscheidet die Volkshochschule. Sie übernimmt dafür das Risiko und die Verantwortung.
Folgende Qualitätsnachweise werden empfohlen:
- Transparenz des Angebotes und der Methode bei der Ausschreibung; Hinweis auf mögliche Gefährdungen und Risiken
- Externe Legitimierung des Angebotes und des/der Unterrichtenden. Nachweis einer anerkannten Ausbildung
- Es gibt einen wissenschaftlichen Diskurs über das Angebot
- Zulassung von externer Evaluation
- Bereitschaft zur kritischen Reflexion
- Bewertung konkreter Angebote im Einzelnen und im Detail – die Theorie und das Interesse im Hintergrund, verwendete Methoden, das Selbstverständnis, die Textierung, der/die Referent*in, etc.
Die Empfehlungen werden in regelmäßigen Abständen auf ihre bestehende Gültigkeit überprüft, um Änderungen in wissenschaftlichen Positionen und im gesellschaftlichen Wertesystem zu berücksichtigen.
Grundlagen zur Empfehlung der Esoterikrichtlinien
Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln vom 21. März 1973: Gegenstand der Förderung nach diesem Bundesgesetz sind Einrichtungen und Tätigkeiten, die im Sinne einer ständigen Weiterbildung die Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten sowie die Fähigkeit und Bereitschaft zu verantwortlichem Urteil und Handeln und die Entfaltung der persönlichen Anlagen zum Ziel haben. Explizit ausgenommen sind unter Punkt c) Veranstaltungen der Glaubensverkündigung im Rahmen des Kultus.
Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Führung der Berufsbezeichnung „Psychologe“ oder „Psychologin“ und über die Ausübung des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens (Psychologengesetz), BGBL. Nr. 360/1990: Die Ausübung des psychologischen Berufs im Bereich des Gesundheitswesens ist die durch den Erwerb fachlicher Kompetenz im Sinne dieses Bundesgesetzes erlernte Untersuchung, Auslegung, Änderung und Vorhersage des Erlebens und Verhaltens von Menschen unter Anwendung wissenschaftlich-psychologischer Erkenntnisse und Methoden. Sie umfasst klinisch-psychologische Diagnostik, Anwendung psychologischer Behandlungsmethoden zur Prävention, Behandlung und Rehabilitation und Gesundheitsförderung. Berufsberechtigung: Eintragung in die Liste der klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz): BGBL. Nr. 361/1990: Psychotherapie ist die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewußte und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern. Berufsberechtigung: Eintragung in die Psychotherapeutenliste beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
„Wer, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ausbildung erhalten zu haben, eine Tätigkeit, die den Ärzten vorbehalten ist, in Bezug auf eine größere Zahl von Menschen gewerbsmäßig ausübt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.“ Den Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten sind: „zu untersuchen, zu diagnostizieren, Behandlungen durchzuführen“ (OGH-Entscheidung vom 9.10.1984)
"Empfehlung zur Gestaltung der Bildungsarbeit an Volkshochschulen", vom Vorstand des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen beschlossen am 10. Mai 1994 und der 25. Hauptversammlung am 25. Juni 1994 vorgelegt:
Grenzen und Ränder: Prinzipiell ist die Volkshochschule offen gegenüber allen Angebots-Inhalten und Formen von Bildungsaktivitäten, sofern sie mit ihrem Selbstverständnis und der dargelegten Auffassung von Bildung vereinbar sind. Sämtliche Inhalte von Veranstaltungen haben in einem begründeten und nachvollziehbaren Sinnzusammenhang zu stehen (auch Methoden müssen begründbar sein), Standpunkte und ihre Voraussetzungen sind deutlich zu machen, Meinungen zu deklarieren. Unterschiedliche Positionen müssen nicht nur möglich, sondern sollen Ausgangspunkt für die Reflexion sein. Die Volkshochschule ist somit kein Ort für die Verbreitung von Heilslehren und von antidemokratischen Weltbildern. Sie bietet keine Plattform für Propaganda, Agitation, Produktwerbung oder für die Rekrutierung von "Klientel" durch politische, religiöse oder andere ideologische Gruppierungen. Der Offenheit und Vielfalt - im Sinne von Beliebigkeit - sind somit Grenzen gesetzt.
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